Humor, Berührung, Weisheit. In bewundernswerter Schlichtheit

Gerne hätte ich ihn persönlich gekannt, zumal als seine „Preisträgerin“ von 2019. Nur ein Abendessen, ein Gespräch mit ihm, wie wäre das gewesen? Heiter und lustig, vor allen Dingen lustig, ganz bestimmt. Eine Lustigkeit, um nicht zu sagen, Lust, die, grade weil sie so lustig ist, dann nachdenklich stimmt. Das Lachen, das einen „Aha“-Effekt hervorruft. Ach, so, das steckt dahinter. So ist das gemeint. Mit geht ein Licht auf. Genau so sind für mich die Geschichten von Paul Watzlawick.

Die Relevanz seines Werkes liegt für mich in seiner Schlichtheit. Nie arrogant, nie besserwisserisch, immer humorvoll: Paul Watzlawicks Werk kommt auf leisen Sohlen ins Gehirn und spinnt dort zarte Fäden im eigenen Denken, die am Ende immer dazu führen, die Dinge anders zu beleuchten als gemeinhin wahrgenommen. Es ist, als würde er einem gleichsam ins Gehirn kneifen, da, wo die blind spots sind. Und auf diese Art und Weise selbstgerechte Grundannahmen der Gesellschaft über das, was gut und richtig ist, demontieren. Und als das bezeichnen, was es meistens ist, nämlich Einbildung.

Mein Lieblingsbuch hier ist die unschlagbare „Anleitung zum Unglücklichsein“, in dem er die ganze moderne Glückssuche (inklusive der dazu einschlägigen Beraterliteratur) auf die Schippe nimmt. Munter erzählt er kleine Geschichten, die die Suche nach dem großen Glück – zumal jenem, das immer außerhalb des eigenen Herzens gesucht wird – verspotten und macht so ganz subtil deutlich, dass es einen großen Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit gibt, letztere aber gemeinhin nicht als erstrebenswert gilt.

Alle dort mit flinker Feder erzählten Geschichten sind voll von im ach so modernen, ach so perfekten Alltag des 20. Jahrhunderts verschollenen, alten Weisheiten, die wieder zutage befördert werden, zum Beispiel die von Frau Lot, die an der Vergangenheit festhält und deswegen zur Salzsäure erstarrt. 

Einer der roten Fäden, die sich durch diese Geschichten zieht, ist, das alles, was uns freut, aber auch alles, was uns fertig macht, allein im Kopf ist: es sind Projektion und sich selbst erfüllende Prophetien, kurz: Blasen im eigenen Kopf, die, stets gefüttert und ins Unendliche gesteigert, im besten Fall komisch enden, so wie die Geschichte von dem „Mann mit dem Hammer“, im schlimmeren Fall aber Unheil hervorbringen. Ins Verderben, so Watzlawick, führen also letztlich die eigenen Gedanken. 

Vor diesem Hintergrund wäre es natürlich sehr interessant, Paul Watzlawick zur aktuellen Situation der Zeitgenossenschaft in der Corona-Krise zu befragen. Vor meinem inneren Auge stelle ich mir ein Gespräch zwischen dem deutschen Soziologen Armin Nassehi, der mit Blick auf Corona und die Lockdown-Maßnahmen den Begriff des „Präventionsparadox“ ins Gespräch gebracht hat, und Paul Watzlawick vor, und zwar über die Geschichte des verscheuchten Elefanten. 

In ihr klatscht ein Mann alle zehn Sekunden in die Hände. Nach dem Grund für dieses Verhalten befragt, erklärt er: „Um die Elefanten zu verscheuchen.“ Auf die Bemerkung, dass es hier gar keine Elefanten gebe, antwortet er: „Na, also! Sehen Sie?“ Watzlawick wollte damit darauf hinweisen, dass der konsequente Versuch, ein Problem zu vermeiden, in Wahrheit zu seiner Verewigung führt.

Die Corona-Pandemie ist derzeit fraglos eine große Herausforderung für alle Länder und Gesellschaften. Aber sicherlich hätte sich Paul Watzlawick gegen apodiktische, absolute oder vermeintlich „einzige“ Lösungen gewandt (z.B. Impflicht, harter Lockdown etc.), wäre seine Stimme heute noch vernehmbar. Sicherlich hätte er einen Weg gefunden darauf hinzuweisen, dass das, was man partout vermeiden will, ganz sicher erst recht Realität wird. Und er hätte wohl – ganz ohne Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit oder Kleinreden der derzeitigen Krise – ein bisschen zur Selbstreflexivität angemahnt. Und es vielleicht sogar geschafft, Wege aus der gesellschaftlichen Angst unter Beibehaltung der Freiheit aufzeigen.

Seine Leichtigkeit, mit den Vielen ernsthaft zu kommunizieren, ohne besserwissend, belehrend oder dominat zu sein; seine Fähigkeit, gesellschaftliche (Handlungs-)Anleitungen zu geben, ohne den Eindruck zu erwecken, genau das zu tun; sein innerer Cursor aus den beiden Knöpfen Gelassenheit und Humor, auch und gerade in Krisen, beides fehlt in der derzeit extrem angespannten Zeit sehr: in Österreich und über die Landesgrenzen hinaus.

ZUR AUTORIN: Prof. Dr. Ulrike Guérot ist Leiterin des Lehrstuhls für Europapolitik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Gründerin des European Democracy Labs in Berlin. Zuvor leitete sie das Department für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau Universität Krems. Sie arbeitete in europäischen Think Tanks und Universitäten in Paris, Brüssel, London, Washington und Berlin. Im Herbst 2019 wurde sie mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring sowie dem Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung ausgezeichnet. 2020 erschien ihr neustes Buch „Nichts wird so bleiben wie es war?“ (Molden).

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