Wie ich zu Paul Watzlawick gekommen bin?

Die Lektüre von „Anleitung zum Unglücklichsein“ in jungen Jahren erweckte mein Interesse an Paul Watzlawick. Beim Studium elektronischer Musik kam ich erstmalig mit Kybernetik in Kontakt. Später dann beschäftigte ich mich mit dem radikalen Konstruktivismus, mit den Therapieansätzen der Palo Alto Gruppe und zuletzt, im Rahmen der Vorbereitungen für ein Kunstprojekt, las ich „Menschliche Kommunikation“ sowie die „Watzlawick-Biografie“ von Andrea Köhler-Ludescher. Letztere öffnete mir die Augen für die Persönlichkeit Watzlawicks, für historische Zusammenhänge und für seine Beziehung zu Kärnten. Ähnlich erging es mir als Villacher mit dem zweiten Weltkärntner Paracelsus. Die ebenso naheliegende wie paradoxe Idee, die beiden in einen Dialog treten zu lassen, ist Resultat eines interdisziplinären Kommunikationsprozesses mit der Ärztin/ Therapeutin/ Musikerin Dr. Elisabeth Kessler.

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Theophrastus & Paul

Der dramaturgische Kunstgriff dieser multimedialen, interdisziplinären künstlerischen Arbeit besteht darin, zwei historische Persönlichkeiten, Paul Watzlawick und Theophrastus Paracelsus, über eine zeitliche Distanz von 300 Jahren hinweg Fragen diskutieren zu lassen, die unsere aktuellen Lebenswirklichkeiten betreffen.

Die Persönlichkeiten der beiden Protagonisten, ihre charakterliche Ausprägung, ihr Stil bilden einen extremen Kontrast. Ein antagonistisches Paar, ein Kontrapunkt, eine Ambivalenz. Was sie verbindet, das sind ihre Jugendjahre in Villach/ Kärnten. Aus diesem Spannungsfeld erwächst eine Dynamik, die wir für diese Arbeit nützen.

Paracelsus, der „Waldesel von Einsiedeln“, ein ebenso genialer wie derb-brachialer Umstürzler und Ikonoklast, an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit, verkörperte idealtypisch den Geist der Revolution, des Widerstandes gegen Obrigkeiten und überkommene Konventionen. Sein Wahlspruch lautete: „Alterius non sit qui suus esse potest – Es sei niemand eines anderen Knecht, der sein eigener Herr sein kann“.

Paul Watzlawick, ein humorvoller, distinguierter Gentleman mit alt-österreichischen Wurzeln, wurde in Palo Alto Teil einer innovativen wissenschaftlichen Bewegung, die mit Freuds und Jungs Erbe in der Psychoanalyse bricht. Der Fokus wird auf die Systemtheorie, die Kybernetik und den radikalen Konstruktivismus gelegt. Psychische Erkrankungen werden nicht mehr als Probleme von Individuen gesehen, sondern als Resultate systemischer Konstellationen, „Es gibt gestörte Beziehungen, aber keine gestörten Individuen“. Paul Watzlawick gelang es, hoch-komplexe wissenschaftliche Sachverhalte in Bestseller zu verwandeln.

Wir lassen den genialen Arzt und Revolutionär Paracelsus gegen den feinsinnigen Kommunikations-Ironiker Paul Watzlawick in den Ring steigen. Scharfsinnige Kommentare, Ironie bzw. brachialer Humor prägen den lebendigen Dialog.

Dialog-Skizze:

Paracelsus (P), Paul Watzlawick (PW)


P: Ihre Behauptung „Alles ist mit allem verbunden“ ist eine Binsenweisheit, reine Esoterik!

PW: Diesen Satz habe ich nie gesagt und er stimmt auch nicht. Er wurde mir untergejubelt… Ein Kuckucksei!

P: Genauso gut könnte man sagen „Nichts ist mit Nichts verbunden“. Wenn alles mit allem verbunden wäre, würden sich die Einzelteile mehr ums Ganze kümmern. Trenne und verbinde, darum geht es, solve et coagula, die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen.

PW: Sie sind bereits mit dem Vorsatz gekommen, mir mit dem Hammer auf den Kopf zu schlagen…

P: …um ihre starren Strukturen etwas aufzulockern!

PW: Mich interessiert, was zwischen zwei Polen passiert, was in Fluss kommt, wenn zwei autonome Positionen aufeinander treffen…Die physikalische Eigenschaft des Wassers beispielsweise wird man nie verstehen, wenn man getrennt Wasserstoff und Sauerstoff untersucht, denn Wasser ist eine Beziehungsstruktur zwischen diesen beiden. Erst die Beziehung ergibt das Phänomen Wasser.

P: Strukturen müssen zertrümmert werden. Viva la Revolution! Umbruch, Umsturz…

PW: Sie hören mir nicht zu. Die Beziehungsstruktur des Wassers ermöglicht fließende Übergänge… Fluides, Flexibles bricht nicht sondern passt sich den Gegebenheiten und Herausforderungen an…

P: Umbrüche finden nur da statt, wo erstarrte Strukturen bestehen. Ohne erstarrte Strukturen gibt’s keine Umbrüche.

PW: Die Lösung ist das Problem. Ich spreche niemals von unveränderlichen Strukturen. Ich rede über Systeme und über Kommunikation. Sie verweigern die Kommunikation, aber man kann nicht nicht kommunizieren. Auch ein Angriff, eine Attacke ist eine Form der Kommunikation. Sie verteidigen sich, ohne angegriffen worden zu sein.

P: Verteidigung ist der beste Angriff!

PW: Nur weil Sie 300 Jahre älter sind als ich, heisst das noch lange nicht, dass sie Sich alles erlauben dürfen…

P: Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.

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DER AUTOR Klaus Karlbauer – Komponist, Regisseur, Performing Artist, Lehrender über sich: Karlbauer praktiziert Freiheit und das manifestiert sich auch in der Art und Weise, wie der Komponist, Regisseur und Performing Artist unterrichtet. »Ich beschäftige mich niemals und nirgendwo mit Grenzziehungen«, unterstreicht Karlbauer, der das Lehren als performativen Akt und integralen Bestandteil seiner eigenen künstlerischen Praxis ansieht. Karlbauers Ziel ist , bei seinem Publikum und bei den Studierenden kreative und reflexive Prozesse hervorzurufen. (The Gap – Magazin). * Den Künstler Klaus Karlbauer musikalisch einzuordnen, ist kein leichtes Unterfangen. Und genau diese Tatsache – nicht einordbar zu sein – gefällt dem sogenannten „Revoluzzer“ (Radio Ö1 – Intrada). * Wiegenlied für den Nachtmahr“ – so heißt die neue Schallplatte des Musikers, Komponisten und Filmemachers Klaus Karlbauer. Nach zahlreichen dezidiert gesellschaftspolitischen Arbeiten der letzten Jahre widmet sich Karlbauer darauf nun dem Seelenleben. Mit radikal un-akademischen Spieltechniken lotet Klaus Karlbauer auf seinem neuen Album musikalische und vor allem persönliche Grenzen aus und konfrontiert seine Hörerschaft mit einem akustischen Ausnahmezustand. (Julia Baschiera – Ö1)

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