Welchen Bezug hast Du zum Werk Watzlawicks? Welcher der diversen Aspekte hat Dich inwiefern beeinflusst?

Als Linguistin, Kommunikationsforscherin und Beraterin haben Paul Watzlawicks Denkmodelle mich bereits Mitte der 1980er Jahre begonnen zu interessieren. Da er neben der Oberflächenstruktur von Sprache immer auch die Tiefenstruktur mitdenkt und detailliert beschreibt, erhält die Leserin/ der Leser schnell ein tieferes Verständnis darüber, welch weites Feld Watzlawick unter der Überschrift der Kommunikation beschreitet. 

Vor allem wird in der Trilogie der Werke Menschliche KommunikationLösungen und Die Möglichkeit des Andersseins, die er zum Teil mit seinen KollegInnen zusammen verfasst hat, deutlich, welch fundiertes Wissen und welch interdisziplinärer Ansatz hier vorhanden ist. Dieser Aspekt der interdisziplinären Forschung hat mich früh begonnen zu faszinieren, da in der Wechselbezüglichkeit und Ergänzung verschiedenen Disziplinen immer auch ein Zuwachs an eigenem Wissen, Erkennen und vertiefender Wahrnehmungsfähigkeit schlummert. 

Seine Beschreibung der zwischenmenschlichen Sender-Empfänger Beziehung auf der Basis der Kommunikation und der gegenseitigen Annahmen, finden wir in der Subjekt-Objekt Relation der indisch-tibetischen Philosophie, Psychologie und Logik sowie des Konstruktivismus wieder. Meine Annahmen bestimmen meine Welt des Denkens und Handelns und so schaffe ich mir meine Welt, wäre eine kurze umspannende Beschreibung an dieser Stelle.

Welche Bedeutung kommt Watzlawicks Werk aus Deiner Sicht heute zu (betreffend Individuen, Unternehmen, Institutionen, Gesellschaften)?

Wenn wir uns Watzlawicks Denkmodelle der Fünf Axiome anschauen, so würde ich gerne zwei Aspekte herausnehmen und sie hier etwas näher betrachten. 

In seinem zweiten Axiom beschreibt er, dass jede Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt hat, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist (1980:56). Diese Aussage bedeutet, dass die Beziehungsebene im Arbeits- wie im privaten Kontext leitend ist für die Gestaltung meines Seins und Handelns in der jeweiligen Umgebung. Aber ist das tatsächlich so? 

In der Interkulturellen Kommunikation wird unterschieden zwischen eher kollektiven bzw. individuellen Kulturen. Bei ersterer überwiegt das Achten auf den Beziehungsaspekt einer Kommunikation weit mehr als das Betrachten der Inhaltsebene, die sich gestalten lässt, sofern der Beziehungsaufbau gelungen ist. Diese Tatsache hat zudem auch Einfluss auf das sogenannt Feedback-geben, das in Deutschland sehr gerne und ausgiebig praktiziert wird. Hier ist der Inhaltsaspekt der wichtigere Teil der Kommunikation.

Werden diese Instrumente des Faktischen jedoch dem Beziehungsaufbau vorangestellt, erzeugen wir in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Kulturen oftmals das Gefühl, diese persönlich anzugreifen – was selbstverständlich nicht gewollt ist. Hier ist, wie in allen axiomatischen Beschreibungen Watzlawicks, die Metakommunikation entscheidend. In einer zunehmend globaler werdenden Welt gilt es, sich dieser Aussage noch einmal im Detail zuzuwenden. Sie könnte ein wichtiger Indikator für eine gelingende zwischenmenschliche Kommunikation sein, die in Unternehmen, Gesellschaften und im privaten Umfeld gleichermaßen stattfindet.

Das dritte Axiom, das hier kurz angerissen werden soll, ist das der Interpunktion. Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt (1980:61). Hier beschreibt Watzlawick, dass die Frau nörgelt und der Mann sich zurückzieht und keiner der beiden mehr weiß, wo denn nun alles begann und was zu diesem Verhalten geführt hat. 

Heutige Kommunikationsformen in der Politik, in Unternehmen oder in der Presse, weisen ähnliche Strukturen auf. Es geht häufig nur noch ums Recht haben, Recht bekommen bzw. Recht behalten. Ein solches Verhalten erschwert die Beziehungsgestaltung jedoch unnötig bzw. verunmöglicht sie sogar. Wir wissen aus der indisch-tibetischen Philosophie, Psychologie und Logik, dass jeder Handlung eine Wirkung folgt und das alles, was uns begegnet auch an einer anderen Stelle eine Ursache hatte. 

Was wir jedoch als Menschen anerkennen sollten ist die Tatsache, dass wir nicht alles, was wir mit dem bloßen Auge sehen, einer Ursache zuführen können. Menschliche Kommunikation ist eben keine mechanische Auseinandersetzung mit linear-kausalen Abläufen. 

Die Anerkennung dieser Tatsache könnte uns dann die Freiheit zurückgeben, Interpunktionen bzw. Positionsrangeleien zu beenden bzw. zu vermeiden, sodass wir eher in eine Form des Austausches über unterschiedliche Auffassungen zurückfinden können. Unter dem Gesichtspunkt der Optimierung könnten wir hier zumindest Zeit einsparen und vielleicht würde es uns ja tatsächlich gelingen, Kommunikationsformen gemeinsam zu entwickeln, die allen zuträglich sind. 

Gibt es noch etwas, dass Du gerne einbringen möchtest?

Was mir an Watzlawicks Forschung und der Ausformulierung seiner Gedanken immer gefallen hat, waren seine vorsichtigen und umsichtigen Formulierungen, die weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Endgültigkeit erheben(1980:50). Hierin liegt eine Ermutigung, diese Forschungen zu nehmen und sie weiterzuentwickeln und/ oder sie um andere Disziplinen zu erweitern. Dieser Bezug zu anderen Disziplinen ist enorm wichtig, um eben einseitigen Sichtweisen entgegentreten zu können und allzu einfache Formeln zu entlarven. 

Das Werk Watzlawicks hat heute mehr denn je Gültigkeit. 

ZUR AUTORIN: Prof. Dr. phil. Susanne Maaß-Sagolla, FH Münster, Institut für Technische Betriebswirtschaft, Interkulturelle Kommunikation und Unternehmenskommunikation

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