– Wie hat Dich die Arbeit von Paul Watzlawick in/direkt beeinflusst? Was ist aus Deiner Sicht ihre Bedeutung?

Paul Watzlawicks Bücher gehören für mich als systemisch denkender Mensch, der sich auch gerne mit dem Konstruktivismus beschäftigt, zu den Standardwerken in der Aus- und Weiterbildung, vor allem, wenn es um soziale Kompetenzen, also die Persönlichkeitsentwicklung geht. Paul Watzlawicks Geschichten und Analogien sind nicht nur lehrreich, sondern beherrschen eine vorzügliche Qualität: Sie behandeln Komplexes so, dass es einfach wird, Inhalte gut zu verstehen. Was andere Soziologen oder Systemtheoretiker in komplizierter Form darlegen (und auch das hat natürlich eine Berechtigung), bringt Watzlawick geschickt und praktisch nachvollziehbar auf den Punkt.

Eine zweite Qualität, die ich wahrnehme, ist der Humor, der sich in seinen Werken widerspiegelt. Seine Geschichten haben mich nachhaltig in meinem Denken geprägt und sind unverzichtbarer Teil meiner Fortbildungsprogramme geworden. Auch seine Axiome lassen sich aus der Welt der Kommunikationsexperimente nicht mehr wegdenken. Besonders bedeutend finde ich, dass der Einfluss von Menschen wie Milton Erickson, Gregory Bateson, Ernst von Glasersfeld oder Heinz von Foerster auch im Wirken von Paul Watzlawick sichtbar wird. Seine Handschrift ist natürlich trotzdem eine eigene geworden. 

Für mich ist Paul Watzlawicks Schaffen Grundlage meiner persönlichen Haltung und sowohl direkt als auch indirekt Bestandteil meiner Interventionssetzung; Sowohl im Einzelcoaching als auch in der Arbeit mit Teams, Gruppen und in der Organisationsentwicklung. Nicht zu vergessen der Einfluss auf meine Arbeit in der Konfliktmoderation und in der Mediation.

– Wo/inwiefern siehst Du die Relevanz von Watzlawicks Werk und Wirken heute? (für Individuen, Organisationen, Gesellschaft) bzw. wo liegen aus Deiner Sicht heute die Schwerpunkte? Was ist neu oder veraltet?

Heute ist Watzlawicks Werk nach wie vor präsent und Standard in den Kommunikationstrainings und im systemischen Coaching. Sie sind Anleitung für paradoxe Interventionen und inspirieren zu Verhaltensexperimenten und Musterunterbrechungen, machen die Auswirkungen von Vorannahmen und das Erschaffen von Wirklichkeiten sowie den darauf folgenden Wechselwirkungen (mit einem Augenzwinkern) gut vermittelbar. Für mich ist in der Haltung und den Grundlagen noch gar nichts veraltet. Ich würde sogar sagen, viele Grundlagen, die Paul Watzlawick für die Kommunikation und die Denkhaltung anbietet, sind noch gar nicht angekommen. Aber auch das ist natürlich eine Wirklichkeit, wie ich sie sehe. Andere würden anderes sagen.

– Gibt es noch etwas, was Du einbringen möchtest?
In den vielen Stunden meiner Selbsterfahrung, die ich während meiner Ausbildungen absolviert habe, ist mir immer wieder ein Zitat von Paul Watzlawick in den Sinn gekommen: „Ich bin frei, denn ich bin einer Wirklichkeit nicht ausgeliefert, ich kann sie gestalten.“ Ein Gefühl, dass zutiefst menschlich ist und ich in manchen Lebenssituationen deutlich spüren konnte, ist die Ohnmacht. Dieses Gefühl bringt mich in meinem Denken in die „Opferhaltung“. Sei es die politische Situation in manchen Ländern, der Krieg, die Klimakrise oder einfach persönliche Krisen wie der Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen. Meine Möglichkeiten der Gestaltbarkeit – meine Selbstwirksamkeit – immer wieder zu entdecken und gleichzeitig das loszulassen, was von mir nicht verändert werden kann, ist eine fast tägliche Übung. Sie ist es auch in der Begleitung von Menschen. Das Zitat hat mich vor einiger Zeit schon zu der Beschäftigung mit Viktor Frankls Wirken geführt. Mit Paul Watzlawick habe ich eine wunderbare Welt kennengelernt, die mir die Möglichkeit gab, mehr als nur den Hammer in meiner Arbeit und im persönlichen Denken in Händen zu halten. Dafür bin ich sehr dankbar.

ZUR BEITRAGENDEN : Christine Amon-Feldmann ist in der systemischen Organisationsberatung als Trainerin, Mediatorin, Coach und Lehr-Coach tätig sowie Geschäftsführerin des seit 2006 bestehenden Beratungsunternehmens „the green field – Systemische Beratung und Coaching Mang Amon OG“ tätig. 

In der Funktion der Lehrgangsleitung betreut sie den Masterlehrgang „Leadership“ der KPH (Katholische Pädagogische Hochschule). Darüber hinaus ist sie ehrenamtliches Vorstandsmitglied im Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie. Als Mitglied des Wohnprojektes Wien, Verein für nachhaltiges Leben, arbeitet sie in der Organisationsentwicklung bei innovativen Formen der direkten Mitbestimmung (Soziokratie) mit.

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