Anleitung zum Arbeiten-am-Modell: Zum 100. Geburtstag von Paul Watzlawick

Paul Watzlawick ist auch mit 100 Jahren nicht in die Jahre gekommen, vielmehr überstrahlt er in der Kommunikationsbrache nach wie vor alles und jeden. Es scheint es kommen keine Website und kein Social Media-Profil ohne den Hinweis aus, man könne nicht nicht kommunizieren. Die oft unreflektierte Übernahme dieses »Jahrhundert-Claims«, erweist sich für die Kommunikationsbranche jedoch auch als Pferdefuß. Denn seien wir uns ehrlich: Auch wenn alles Kommunikation ist, ist gleichzeitig nicht alles ein Kommunikationsproblem. »Kommunikationismus« nannte Benno Signitzer diesen Reflex der Kommunikationsleute, bei jeder Gelegenheit laut „Hier!“ zu schreien und eifrig Kampagnen und Sujets zu entwickeln. Und wenn´s nicht hilft, dann haben es die Rezipienten einfach (noch) nicht verstanden und deswegen gleich nochmal und bei der Gelegenheit noch etwas lauter und noch etwas mehr… 

Doch da haben wir alle bei Prof. Watzlawick nicht weitergelesen: »more-of the-same«, als gängiger Handlungsmodus, führt uns in der Regel nur weiter ins Schlamassel. Immer wieder stellen wir daher fest, dass unsere Aktivitäten im Kommunikationsmanagement im besten Fall Strohfeuer sind, sich in der Regel jedoch gar als Verschlimmbesserungen entpuppen. 

Wie kann uns Paul Watzlawick da heute noch helfen? 

Lassen wir uns von seinen spielerisch-geistreichen und so treffenden Analysen inspirieren und dadurch unseren dominanten Modus als ein verkürztes Arbeiten-im-Modell zu entlarven. Dies macht im nächsten Schritt den Weg frei für ein Arbeiten-am-Modell. Watzlawick hat so nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Lösungen 1. Ordnung, in den meisten Fällen schlicht das Problem darstellen, wohingegen Lösungen 2. Ordnung, einen Wechsel kennzeichnen, der das System und dessen Muster und Dynamiken selbst ändern kann. 

Die paradoxen Interventionen, die Watzlawick im Rahmen des revolutionären Kurzzeittherapiekonzepts vorschlug, sollten uns auch im Rahmen der Organisationskommunikation ein Wegweiser sein. Und das kann bedeuten: zuerst einmal Zurücknahme, dann, den allgemeinen Wandel beobachten und sich diesem anpassen und wenn ein Eingreifen wirklich nötig ist, neue und unerwartete Pfade beschreiten und vor allem nicht (!) gegen das Momentum arbeiten, sondern dieses nützen. Sehr oft zog – der vom Weisheitsdenken des alten Chinas tief beindruckte Watzlawick – hier Vergleiche zu asiatischen Kampfsportarten.

Neben all der intellektuellen Brillanz und Fähigkeit, höchst anspruchsvolle Inhalte auf gut verdauliche Art und Weise zu präsentieren, haben mich persönlich vor allem zwei Eigenschaften an Paul Watzlawick nachhaltig beeindruckt: 

Einerseits, seine Ausdrucksfähigkeit und sprachliche Gewandtheit, die er bis ins hohe Alter kultivieren konnte. Wer sich auf Youtube seine deutschen Vorträge ansieht – was sehr empfehlenswert ist – würde nie glauben, einem Mann zu sehen, der sein Leben lang im fremdsprachigen Ausland verbracht hat. 

Und andererseits beeindruckt mich Watzlawicks Humor und Fähigkeit zur Selbstreflexion: so hat der große Meister – und ich weiß leider nicht mehr, wo ich es aufgeschnappt habe – in einem Interview lächelnd und ganz selbstverständlich darüber gesprochen, dass er vielleicht etwas schneller sein Verhalten und Befinden zu reflektieren vermag, im Alltag jedoch in die gleichen Fallen tappt und mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat, wie wir anderen alle auch. Das ist doch sehr tröstlich.

ZUM AUTOR: Dr. Peter Dietrich ist Professor für Strategische Kommunikation & Stakeholder Management und Studiengangsleiter für International Business Studies an der FH Kufstein Tirol, University of Applied Sciences.

Er setzte sich in drei Studienrichtungen (Kommunikationswissenschaft, BWL und Psychologie) mit den Werken von Paul Watzlawick auseinander und schätzt bis heute jede Konfrontation mit einem Watzlawick-Gedanken als enorme Bereicherung.

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