Effektiv einfach eine scheinbar ausweglose Konfliktsituation verändern

Neben vielen, vielen anderen Herangehensweisen oder „magischen Tricks“ (wie unser anderer lieber gemeinsamer Freund Heinz von Foerster sagen würde) in der Herstellung tragfähiger Lösungen zwischen Menschen und Organisationen hat mich besonders die Idee fasziniert, dass in einem Konflikt oder einer Pattsituation, in der scheinbar gar nichts mehr zu bewegen ist, jede Partei danach gefragt wird, welche Veränderung die jeweils andere Partei vornehmen müsste – „was sie leben müsste“ – damit das Problem nicht mehr besteht.  Dann werden die Parteien aufgefordert, gleichzeitig jene Veränderung zu setzen, die der andere braucht. Auf diese Weise können auf einfachste Art und Weise neue Zukünfte gestaltet werden.

Ich erinnere mich noch gut, dass Paul in seinen Vorträgen diesen Kunstgriff meist mit seinem Beispiel des Ehepaars am Frühstückstisch erklärt hat: „Ein Ehepaar hat jeden Tag gemeinsam Frühstück und wird immer unzufriedener miteinander: Sie will unbedingt mehr Aufmerksamkeit von ihm und versucht immer vehementer, ihn für ein Gespräch zu gewinnen. Je mehr sie das jedoch versucht, desto mehr zieht sich ihr Ehemann in seine Zeitung zurück. Denn er liebt es, das Frühstück mit seiner Zeitung zu beginnen. Das typische „Je mehr, desto mehr“-Problem entsteht: Je mehr er Zeitung liest, desto vehementer redet sie auf ihn ein. Je mehr sie auf ihn einredet, desto mehr liest er Zeitung. Was sich zunächst recht harmlos anhört, kann blitzschnell zum nachhaltigen Beziehungszerstörer werden, wenn bei beiden Personen die Übersetzung des Erlebten in einem größeren Kontext stattfindet: „Sie lässt mir keine Freiheit. Das ist nicht die Beziehung, die ich brauche“, und „Er interessiert sich nicht für mich. Ich sollte mich anderwärtig umsehen.”

Ich erlebe diese Situation immer wieder auch im Führungskontext, wenn eine Führungskraft zwei- oder dreimal hintereinander spannende Projekte an den gleichen Mitarbeiter vergibt; und der andere Mitarbeiter, der sich benachteiligt fühlt, nicht jemand ist, der vorprescht und proaktiv Selbstmarketing betreibt. „Er hat seine Lieblinge“, denkt der Mitarbeiter. “Er interessiert sich zuwenig für seine Karriere“, denkt die Führungskraft. Die Folge? Der Mitarbeiter wird in der nächsten Karriererunde nicht berücksichtigt. Und er geht. Und die Watzlawicksche Lösung? Sie ist so einfach: Ein kurzes Treffen zwischen den beiden. Die Führungskraft fragt den Mitarbeiter, was er von ihr braucht, um sein Bestes geben zu können. Die Führungskraft sagt aber auch, was sie vom Mitarbeiter braucht, um ihn wie alle anderen in ihre Karriereüberlegungen einbeziehen zu können. Und natürlich braucht es eine akribische Beobachtung beider Seiten über eine längere Zeit, ob das Vereinbarte auch gelebt wird.

Es gäbe so viele kleine Tools von Paul Watzlawick anzusprechen, die er gemeinsam mit Jay Haley entwickelt hat – in jedem seiner Vorträge waren viele Tausend davon versteckt, und in jedem unserer Gespräche ebenso viele. Sie zu bedenken, anzuwenden und weiterzuentwickeln, habe ich mir mit der Begründung der Relationalen Philosophie mit zur Aufgabe gemacht.

ZUR AUTORIN: Sonja Radatz, Mag. Dr.; Begründerin der Relationalen Philosophie, Autorin von 19 Büchern und über 300 Fachartikeln, begleitet weltweit Unternehmen und Menschen mit ihren Methoden und Werkzeugen. Sie leitet das IRBW in Wien Schloss Schönbrunn, die Mind Changer Academy (mindchanger.net) und die Relational Online Academy (relationalonline.com). Sie ist Herausgeberin der Zeitschrift LO Lernende Organisation. 2003 wurde ihr der Deutsche Preis für Gesellschafts- und Organisationskybernetik für ihr Lebenswerk verliehen. 

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