Wir leben in einer utopischen Zeit

Ein Beitrag anlässlich eines Watzlawick Symposiums 2020 von Alexandra Schrenk

Ich habe mich bewusst für die Teilnahme am Watzlawick Symposium entschieden, um mich mit den Denkansätzen von Paul Watzlawick zu beschäftigen. Dies habe ich in den letzten Wochen auch intensiv getan. Dass er meiner Meinung nach aktueller denn je ist und nichts an seiner Brisanz eingebüßt hat, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. 

Ich möchte deshalb ein paar Themen herausnehmen, die mich besonders angesprochen haben, beziehungsweise bei denen ich persönliche Erfahrungen gemacht habe oder Parallelen zu mir gefunden habe. 

Paradoxe Kommunikation 

Ich weiß zum Beispiel nun, dass – wenn ich verbal den Wunsch gegenüber meinem Mann äußerte: „Du könntest mir wirklich öfters Blumen schenken!“ – ein Fall von paradoxer Kommunikation ist, und wie man es dreht und wendet, nie zum gewünschten Erfolg führen kann. Es ist eine Paradoxie, Spontanität zu erwarten, und deswegen kaufe ich mir meine Blumen selbst.

Utopie-Syndrom

Wir leben in einer Zeit, in der aus den unterschiedlichsten Sparten, Menschen allumfassende Weisheiten, allgemeingültige Wahrheiten, sinngebende Lösungen und vieles mehr versprechen. Eine utopische Zeit, wie Paul Watzlawick sie nennt.

Diese oft selbst ernannten Gurus finden viele Anhänger, die ihnen entschlossen, in der Annahme, dass sie die allgemeingültige Wahrheit gefunden zu haben scheinen, folgen.

Paul Watzlawick nennt dies, das Utopie-Syndrom.

Ich selbst kann von mir behaupten vor einigen Jahren, dieses Syndrom gezeigt zu haben und bin den verschiedensten Menschen ehrfürchtig als Suchende gefolgt.

Watzlawick beschreibt in seinem Buch: „Lösungen“, dass die erfolglose Durchsetzung der gefundenen Lösung in einer Form oft zu schwerwiegenden Problemen führen kann. Denn wenn der Konflikt dabei im Menschen selbst liegt und er die Lösung/seine Wahrheit nicht umsetzen kann, führt dies oft zum Empfinden eigener Unzulänglichkeit, zum Fühlen eigenen Versagens. 

Das Ergebnis dessen ist: Entfremdung, Depression, Scheidung, Alkoholsucht, nihilistische Weltanschauungen, im Schlimmsten Fall sogar Selbstmord. Die Erkenntnis, dass die Lösung nicht gefunden wird, hat somit möglicherweise fatale Folgen und lässt die Wirklichkeit des Alltags noch viel grauer erscheinen.

Eine andere Variante des Utopie-Syndroms ist bei weitem nicht so dramatisch und man kann es unter dem Motto sehen: It ́s better to travel hopefully than to arrive – also: im Aufbruch nicht am Ziele liegt das Glück– wie es Watzlawick beschreibt.

Das heißt so lange man auf der Reise (bzw. auf der suchenden Reise ist) hat das seinen Selbstzweck und bringt eine gute Empfindung.

Oscar Wilde wurde mit seinem Sprichwort: In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien. Die eine ist nicht zu bekommen, was man möchte, die andere ist es zu bekommen immer wieder von Paul Watzlawick zitiert, wobei er immer meinte, dass das zweite bei weitem das Tragischere sei.

Aber ist es nicht wirklich so? Die Vorbereitung, das Hinfiebern, die Erwartung ist doch immer das Schönste, nicht die Erfüllung des Wunsches selbst.

Die dritte Form des Utopie-Syndroms geht in eine ganz andere Richtung: der Mensch, der Befallene – wie er von Watzlawick genannt wird, meint die Lösung, den Schlüssel, die Wahrheit gefunden zu haben und nun liegt es an ihm, die ganze Welt davon zu überzeugen und die Lösung hinauszutragen. Funktioniert dies nicht und führt nicht zum Erfolg sind die verstockten Menschen allein schuldig und es wird oft das Übel der Gesellschaft zugeschrieben.

Die Utopie-Syndrome haben eine Gemeinsamkeit: sie sind für die Betroffenen wirklicher als die Wirklichkeit!

Das heißt, dass das Scheitern an der Neuordnung der Wirklichkeiten nie an den Annahmen liegt, sondern im eigenen Versagen oder der der Umwelt.

Watzlawick beschreibt, dass für eine Theorie des Wandels eine klare Trennung zwischen Tatsachen und Annahmen über Tatsachen entscheidend ist.

Dazu möchte ich Ihnen noch kurz eine Darstellung zeigen, die auch Watzlawick öfters beschrieben hat……(Einteilung Zahlen).

Die meisten Menschen werden hinsichtlich der Einteilung von der Annahme ausgehen, die Zahlen laut rechentechnischen Lösungen einzuteilen, auf die Annahme über die Tatsache, dass die Zahlen nur nach ihrem Äußeren eingeteilt sind – rund, linear und gemischt kommt kaum jemand.

Das heißt man geht von einer völlig falschen Annahme aus und die Lösung kann es nicht geben.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist für die Sinnsuchenden zentral und allumfassend und es wird alles hinterfragt, außer die Suche selbst.

Paul Watzlawick meint, dass die Alternative zu diesen Tragödien in der Haltung des Königs in Alice im Wunderland liegt, in dem er zu einer Schlussfolgerung kommt, die lautet: 

„Wenn kein Sinn darin ist, so erspart und das eine Menge Arbeit, denn dann brauchen wir ja auch keinen zu suchen!“

Sie sehen also das Utopie-Syndrom hat mich einigermaßen beschäftigt, und es ist sicher relevanter denn je.

Die Art wie Watzlawick seine Theorien erklärte, mit Geschichten und Zitaten beschrieb, finde ich faszinierend und sehr sympathisch.

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Er meinte in einem Vortag 1987, dass es seiner Meinung nicht die großen sinnstiftenden Dinge sind, die wir suchen sollen. Für ihn war es das Gute im Kleinen, dem Nächsten zu helfen. Eine Kettenreaktion … der Gütigkeit, der Toleranz so nannte er es.

In den letzten Wochen bin ich immer wieder in den verschiedensten Situationen über Paul Watzlawick gestolpert – das ist natürlich meine Wirklichkeit. Unter anderem bin ich in einem zufälligen Gespräch mit meinem Yoga-Lehrer (der sich als echter Fan von ihm entpuppt hat) auf Paul Watzlawick gekommen. Und er meinte: „Ja weißt der Paul Watzlawick der war halt ein echter Yogi für mich.“ Und er meinte damit nicht, dass er einmal in Indien gelebt hat und Yoga praktizierte, sondern dass Watzlawick ein großer Lehrer war.

Paul Watzlawick erwähnte 2 Männer, die für ihn solche Lehrer gewesen sein dürften: Graf Dürckheim und Jiddu Krishnamurti. Zweiteren – einen indischen Philosophen- lernte Watzlawick in Indien kennen, wo er auch zu Yoga fand, dass er Zeit seines praktizierte.

ZUR AUTORIN: Mein Name ist Alexandra Schrenk, bin Studentin im 2. Semester des Studienlehrganges zur Akademischen Sozialpädagogin in St Pölten (Österreich) und arbeite seit fast 7 Jahren in einer Werkstätte für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung.

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