Mit Watzlawicks Elefanten zum Wettbüro für Panikattacken

Es muss so um 1995 gewesen sein, als ich Paul Watzlawick bei einem Vortrag in Linz hörte. Seine Geschichten hatten etwas Faszinierendes, fast „Gedankenwurm-Charakter“ (in Analogie zum sogenannten „Ohrwurm“ bei Musik). Wie kreativ doch manche Menschen Probleme zu lösen versuchen und damit ein neues Problem schaffen!

Besonders angetan hatte es mir dabei die Geschichte von dem Mann, der klatschend auf dem Hauptplatz stand, ehe ihn ein Passant nach dem Grund für sein Klatschen fragte. „Ich vertreibe damit die wilden Elefanten!“, soll er darauf geantwortet haben. „Aber hier gibt es doch keine wilden Elefanten!“, erwiderte daraufhin der andere, woraufhin der Klatscher triumphierend meinte: „Na also! Sehen Sie!“

Wer weiterklatscht, macht keine korrigierende Erfahrung und muss weiterklatschen. Fragen Sie doch einen Angstklienten! Was also tun als Therapeut? Ihm die Hände halten? Ihn auf sein Dilemma aufmerksam machen? Ihm „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, indem man ihm eine noch größere Angst macht, wenn er mit dem Klatschen weitermacht, so nach dem Motto, „Haben Sie denn keine Angst, dass Ihr Klatschen die wilden Tiger anlocken könnte?“.

Ein Rätsel, auf das ich lange keine Antwort fand. Bis ich endlich verstand: die Antwort musste nicht nur der Logik des Angstklienten entsprechen, sie musste auch aus ihm und von ihm kreiert werden! Das Rätsel musste an ihn zurückgegeben werden! Phantasie und Kreativität sowie Gedankenwälzen, allesamt zukunftsorientiert, sollten nicht nur die Kräfte zur Erzeugung des Problems sein, sondern man sollte sie als Ressource sehen und sie für das Kreieren von neuen Lösungen nutzen.

So entstand schon vor Jahren die Idee, meinen „Angstklienten“ am Sitzungsende RÄTSEL mit nach Hause zu geben, die sie bis zur nächsten Sitzung gemeinsam mit ihrem Partner/ihren Freunden o.Ä. lösen sollten. Der Klient wird so zum eigenen Therapeuten, seine Angehörigen zu Co-Therapeuten!

Nicht immer werden von den Klienten alle Rätsel „gelöst“ (manche sind absichtlich sehr schwer). Doch in 100 Prozent der Fälle berichten Klienten von Veränderungen des Problems durch die Versuche, die Rätsel zu lösen.

Ich gebe zu: diese therapeutische Vorgangsweise hat ein bisschen etwas von der Strategie eines Einbrechers, der den Knochen für den Wachhund über den Zaun wirft, damit er unbeschadet ins Haus kommt, aber wie eine Klientin einmal in Analogie zur Elefantenmetapher formulierte: „Aber es sind meine Bananen, die ich werfe, es sind meine Elefanten, und schließlich ist es mein Haus.“

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Die Rätsel sind 2021 unter dem Titel „Das Wettbüro für Panikattacken. Gemeinsam das Rätsel Angst auflösen“ im Rediroma-Verlag erschienen.

Das Konzept der therapeutischen Rätsel, eine Weltneuheit, wurde für den Praxispreis 2021 der Systemischen Gesellschaft eingereicht – leider ohne Erfolg.

ZUM AUTOR: Dr. Christoph Thoma, wohnhaft in Amstetten (Niederösterreich), verheiratet, 3 Kinder. Er studierte an der Universität Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaften sowie Soziologie (u.a. bei Prof. Roland Girtler); anschließend Ausbildung zum Psychotherapeuten (Systemische Familientherapie, u.a. bei Dr. Gianfranco Ceccin). Von 2005 bis 2013 Lehrtherapeut für Systemische Familientherapie. Wiederholt Lektorentätigkeit an der Universität Innsbruck. Eigene Lehrpraxis (ISKAM – INNOVATIVE SYSTEMISCHE KURZTHERAPIE AMSTETTEN – iskam.at) in Amstetten und Verleger sowie Autor. Mehrfach preisgekrönte publizistische Arbeiten: u.a. beim „Ersten Österreichischen Jugendpreis“, beim „Wochenpresse Nachwuchsjournalisten-Wettbewerb“ und beim „Hans-Czermak-Preis für gewaltfreie Erziehung“. 2010er Jahre: Mit „Kuhschwanzziehen“ und „Wurmklopfen“ veröffentlicht Thoma zwei der ersten systemischen Kriminalromane im deutschen Sprachraum.

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