Paul Watzlawick und sein Hammer: Das ist DER Hammer!

Eine kleine Geschichte, mit der mich Paul Watzlawick voll begeistert. Da er uns damit zeigt, wie schnell wir doch Folgendes denken:

„Mein Gegenüber denkt bestimmt etwas Negatives über mich, er ist bestimmt gegen mich, er mag mich nicht, er hat etwas an mir auszusetzen etc..“

Und mit dieser Geschichte zeigt er uns auch, wie wir direkt und ohne mit der Wimper zu zucken unser Handeln auf diesen Unterstellungen aufbauen – fatalerweise … Denn so sorgen wir für mehr Unzufriedenheit … und das bei allen Beteiligten. Zudem kommen wir damit auch nicht dahin, wo wir doch eigentlich hinwollten – in dem Fall das Bedürfnis: Sich einen Hammer auszuborgen, um das Bild aufzuhängen.

Auch können wir mit dieser kleinen Geschichte wunderbar das sogenannte Eisbergmodell erklären:

* Die Eisbergspitze symbolisiert das, was wir sehen können, in dem Fall der Satz: „Gestern grüßte er mich nur flüchtig.“. Wäre dies z.B. im Stiegenhaus passiert und wäre dort eine Videokamera angebracht gewesen, hätte die Szene aufgenommen werden können.

* Von der Eisbergspitze weisen dann sozusagen unsere Unterstellungen / Gedanken als einzelne Pfeile auseinander reichend in die Eisbergunterseite.

* Und die Eisbergunterseite ist schließlich der Raum für all das, was wir (auf den ersten Blick) nicht sehen können, was (noch) verborgen ist, in dem Fall diese Unterstellungen der Hauptperson in der Geschichte:

1. Unterstellung: „Vielleicht war er in Eile.“

2. Unterstellung: „Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich.“

In der ersten Satzhälfte hat die Hauptperson noch ein „vielleicht“ im Kopf und mit der zweiten Satzhälfte beginnt dann die Veränderung von der Unterstellung hin zur Feststellung.

Statt noch eine 3. und ganz andere Unterstellung zu überlegen, um den möglichen Vorstellungsraum groß zu halten, bleibt „unser Mann“ bei der 2. Unterstellung hängen, steigert sich schrittweise hinein und das uns bekannte Ende des Beschimpfens tritt ein.

Genau genommen hat „unser Mann“ direkt einen Zweifel – vielleicht aus (eigener) Unsicherheit? – und überlegt entsprechend: „Was, wenn der Nachbar mir seinen Hammer nicht ausborgen möchte?“ Daraufhin sucht er nach einer möglichen, dazu passenden Begründung und schwupps fällt ihm die Szene von gestern ein …

In der Mediation ist das Eisbergmodell das Herzstück für den Weg vom Konflikt / Streit zur Lösung, sprich für die Lösungssuche. Idealerweise überlegen wir uns jeweils mindestens drei verschiedene Unterstellungen für egal welche Tat, um den Raum groß zu halten – der auch groß ist, wie der Eisberg unter der Wasseroberfläche ja breiter ist als über der Wasseroberfläche.

Um einen kleinen Eindruck der Vielfalt der darunter-/dahinterliegenden Möglichkeiten zu verdeutlichen, habe ich mir erlaubt, die Geschichte mit dem Hammer sozusagen in die Breite zu denken. Dazu habe ich mich sozusagen an das „Team von ROT-GELB-GRÜN“ gewandt, mit dem ich das Mediationskonzept „Fairness in ROT-GELB-GRÜN“ entwickelt habe. Dabei stehen die drei Farben z.B. für:

Das Klima in Beziehungen kann geprägt sein von Gegeneinander oder Nebeneinander oder Miteinander. Dabei geht es nicht um ein anderes Schwarz-Weiß-Denken, sondern auch um das GRÜNE im ROTEN, z.B. mit „Gegenwind schafft Auftrieb“ (Quelle leider unbekannt).

Die Geschichte mit dem Hammer ist für mich genauso auch heute aktuell: Sie passt für alle Altersstufen, zu allen Berufsbereichen und zu unzähligen unserer Alltagsbeispiele im Umgang mit anderen Menschen …

ZUR AUTORIN: Gesine Otto ist Diplom-Sozialpädagogin (FH, seit 1998), Mediatorin (seit 1999), Moderatorin für Systemisches Konsensieren (seit 2016), Lehrbeauftragte an der Katholischen Hochschule Mainz und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Referentin in der Mediationsausbildung für Lehrkräfte an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Wien; Referentin an der Bildungsakademie Wien, Entwicklung des Mediationskonzepts: „Fairness in ROT-GELB-GRÜN“ (seit 2000) für Menschen aller Altersstufen und aller Berufsbereiche.

Zurück zur Übersicht